Textilwerter Beton
Zur Aufnahme von Zugkräften sowie zur Einstellung eines duktilen Tragverhaltens werden Betonbauteile üblicherweise mit Betonstahl bewehrt. Stahlbetonbauteile müssen jedoch eine Mindestbetonüberdeckung aufweisen, um den Korrosionsschutz des Stahls sicherzustellen. Bauteildicken unter 60 bzw. 80 mm sind daher in der Stahlbetonbauweise nicht realisierbar. In textilbewehrtem Beton werden dagegen korrosionsbeständige Faserwerkstoffe, z. B. AR-Glas, Carbon oder Aramid, als Bewehrung verwendet, die eine Reduzierung der Betondeckung auf wenige Millimeter ermöglichen, da kein Beton als Korrosionsschutz erforderlich ist. Somit sind filigrane und hochfeste Bauteile in nahezu beliebigen Geometrien ausführbar.
Betonelement und textile Bewehrung | Multifilamentgarn eingebettet in Beton |
Durch die Entwicklung neuartiger, textiltechnischer Herstellungsverfahren können heute Hochleistungsfilamentgarne zu mehrdimensionalen und mehraxialen Strukturen verarbeitet werden, die eine variable Ausrichtung der Garne ermöglichen. Eine für die Herstellung von textilbewehrten Bauteilen geeignete Betonmatrix muss besondere Eigenschaften aufweisen, die sich aus dem Herstellungsprozess, dem Tragverhalten und den Anforderungen an die Dauerhaftigkeit des Verbundwerkstoffes ergeben. Zur Vermeidung von Fehlstellen und um einen guten Verbund zu gewährleisten muss der Beton auch engmaschige Gelege vollständig durchdringen und darf sich nicht entmischen. Da der Größtkorndurchmesser der entsprechenden Betonmatrices in der Regel auf etwa 1mm begrenzt ist, werden diese als ‚Feinbetone‘ bezeichnet. Während im Stahlbetonbau die Alkalität des Betons erwünscht ist, führt sie zu einem Festigkeitsverlust der in textilbewehrtem Beton schwerpunktmäßig verwendeten AR-Glasfasern. Geeignete Feinbetonrezepturen sollten daher einen möglichst geringen pH-Wert aufweisen.
Das Verbundverhalten textilbewehrter Betonbauteile unterscheidet sich wesentlich von dem des Stahlbetons. Die textilen Rovings bestehen aus einer Vielzahl einzelner Fasern, den sog. Filamenten, und stellen im Gegensatz zu Stahl keinen monolithischen Werkstoff dar. Die Verbundspannungen werden, bedingt durch die unzureichende Penetration der Betonmatrix in das Multifilamentgarn, hauptsächlich durch die äußeren Filamente eines Rovings aufgenommen. Dies resultiert in einer ungleichmäßigen Spannungsverteilung im Garnquerschnitt, so dass die Garne die hohe Materialfestigkeit der Fasern nicht erreichen.
Eine deutliche Optimierung des Trag- bzw. Verbundverhaltens wird durch eine polymere Beschichtung erreicht. Es erfolgt eine Homogenisierung des Garnquerschnitts und infolgedessen eine wesentliche Verbesserung des inneren Verbunds zwischen den einzelnen Filamenten. Polymerbeschichtete Garne erreichen somit annähernd die Festigkeit der Fasern.
Biegezugversuch: Betonelement mit polymergetränkter Bewehrung |
Der Verbund kann generell durch die Wahl des Klebstoffssystems und des Auftragsverfahrens eingestellt werden. Daneben ergibt sich eine weitere Traglaststeigerung durch das Einbringen von z. B. Sand auf die frisch beschichteten Textilien, wodurch sich eine mechanische Verzahnung zwischen Beton und Textil ergibt. Weitere Vorteile der beschichteten Garne resultieren aus dem Schutz der Fasermaterialien vor chemischem und mechanischem Angriff sowie einer unproblematischen Handhabung infolge der fixierten textilen Struktur. So wird eine chemische Zersetzung der Fasern durch die polymere Beschichtung wirksam erschwert. Im Gegensatz zu unbeschichteten Textilien, die eine schlaffe Struktur aufweisen, sind starre Gebilde, z. B. Körbe, einfach formbar und ein Verspannen der Bewehrung kann entfallen. Darüber hinaus bietet die polymere Beschichtung einen Schutz gegen einen Bruch der Fasern während des Einbaus in die Schalung.
Ansprechpartner
Dipl.-Ing. Dirk Piegeler | d.piegeler@lkt-aachen.de |